Nico Stehr

Noch ist nichts entschieden:
Die Chancen und Risiken der Globalisierung*

Draft

*Eine ausführlichere Darstellung und Dokumentationen einiger dieser Beobachtungen findet sich in Nico Stehr, Die Zerbrechlichkeit moderner Gesellschaften. Die Stagnation der Macht und die Chancen des Individuums. Weilerswist: Velbrueck, 2000 oder The Fragility of Modern Societies. Knowledge and Risk in the Information Age. London: Sage, 2001.

Abstract

Der Begriff der Globalisierung nimmt in vielfältigen theoretischen and praktischen Reflexionen zur gegenwärtigen Entwicklungsphase der modernen Gesellschaften den Stellenwert ein, den gesellschaftstheoretische Bemühungen in der jüngsten Vergangenheit mit dem Begriff der Massengesellschaft, der Rationalisierung oder etwas später mit der vieldiskutierten Perspektive der Modernisierung bzw. der Konvergenzthese verbanden oder, negativ gewendet, mit der Aufklärung als Massenbetrug unter der Vorherrschaft kapitalistischer Wirtschaftsformen. Beobachtungen und Folgerungen der Globalisierung befassen sich mit den (1) ökonomischen (einschließlich der politischen und technischen), den (2) kulturellen (insbesondere der Internationalisierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Informationen, sowie der Ausweitung der kommunikativer Möglichkeiten) und den (3) ökologischen Bedingungen und Folgen der Globalisierung befassen. Im vorliegenden Essay wird der Versuch gemacht zu zeigen, daß sich die Kritiker und die Befürworter der Globalisierung irren, wenn sie fast unisono davon überzeugt sind, daß die entscheidenden Weichenstellungen über die signifikanten Folgen der Globalisierung schon gefallen sind.

Die Chancen und Risiken der Globalisierung:
Rückentwicklung oder Fortentwicklung?

 

The word 'globalization' is ... a simultaneously descriptive and prescriptive pseudo-concept that has taken the place of the word 'modernization,' long used by American social science as a euphemistic way of imposing a naively ethnocentric evolutionary model that permits the classification of different societies according to their distance from the most economically advanced society, which is to say American society.

Pierre Bourdieu (2001:2)

 

Die Risiken der Globalisierung, so werde ich argumentieren, werde oft überschätzt, während die Chancen der Globalisierung noch lange nicht ausgereizt sind. Daher ist es angebracht davon zu sprechen, daß über die genauen Wirkungen der Globalisierung entgegen den Überzeugungen mancher Ihre vehementen Befürworter oder der scharfen Ablehnung der Kritiker der von der angeblich überwältigen Macht der Globalisierungsprozesse und ihrer scheinbar schon entschiedenen Entwicklungsrichtung (wie zum Beispiel der Unterordnung der Gesellschaften unter die Macht der Konzerne [siehe Derber, 2000]), noch nicht endgültig entschieden ist.

Sowohl die Befürworter als auch die Kritiker der Globalisierung sind davon überzeugt, obwohl sie sich in ihren Bewertungen diametral unterscheiden, daß bestimmte Folgen der Globalisierung (schon) unausweichlich sind und unsere Lebenswelt grundlegend revolutioniert hat. Entweder sind diese Auswirkungen der Globalisierung weitgehend schädlich oder die Folgen sind größtenteils von Nutzen für die Menschheit. Wie uns die Vergangenheit aber lehrt, sind weitläufig zelebrierte globale Urteile dieser Art über die Zukunft oft Fehlurteile oder sich selbstzerstörende Prophezeiungen.

Es fällt aber schwer, so hat es den Anschein, sich globaler Urteile über den Prozeß der Globalisierung zu enthalten und es fällt nicht leicht, sich diesen globalen Prämissen über angeblich unausweichlich gesellschaftlichen Abläufe zu entziehen. Ich möchte meine Beobachtungen zur Globalisierung in unserer Welt deshalb mit einem methodischen Verweis auf ein genuines kommunikatives Dilemma beginnen, das das kulturwissenschaftliche Verständnis sozialer Phänomene und die Darstellung dieser Bemühungen von Anfang an nachhaltig beeinflußt, wenn nicht sogar stört und immer wieder Anlaß und Öffnung zu leidigen Mißverständnissen ist. Das Dilemma ist aber gleichzeitig selbstexemplifizierend; denn positiv gewendet verweist es auf Chancen intellektueller Arbeit, und zwar auf Möglichkeiten zum Weiterdenken, die sich im Widerspruch zum Verständnis und den Beobachtungen der gleichen sozialen Realität durch andere Beobachter ergeben. Und zwar ist dies -- abgesehen von der Ambivalenz des Globalisierungsbegriffs oder seiner essentiellen Strittigkeit (siehe Connolly, 1983) --das Dilemma der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen1 und der diskursiven Auslegung und Repräsentation solcher gesellschaftlichen Prozesse.

Die essentielle, d.h. unvermeidliche und in vieler Hinsicht funktionale Strittigkeit gesellschaftlicher Beobachtungen, die an der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gekoppelt ist, sei beispielhaft an Hand von zwei Tatsachen illustriert:

  1. Die von den meisten von uns während des größten Teils der Menschheitsgeschichte bewohnte Welt erstreckte sich allenfalls auf die Distanz eines Tagesfußmarsches.

  2. Es war Ende 1347 als Europa über Konstantinopel ein furchtbarer Virus [möglicherweise ähnlich dem Auslöser der Ebola Seuche im 20. Jahrhundert] erreichte, dem innerhalb von wenigen Monaten [wahrscheinlich] mehr als die Hälfte der europäischen Bevölkerung zum Opfer fiel (siehe Cunningham und Grell, 2002; Cantor, 2002).

Das Komplikation ist, daß das "Alte nie so alt gewesen ist und das Neue wie so neu ist, wie es scheint" (Hans-Georg Gadamer): Die schnelle Verbreitung der Pest (d.h. der "Gleichartigkeit der vorhandenen Einwirkungen" [Mannheim, {1928} 1964:516) und die Beschränktheit unseres Horizonts (d.h. Ungleichzeitigkeit der inneren Verarbeitung der Einwirkungen) stützt und widerspricht der These, daß die "Angelegenheiten der Menschen [doch immer schon] irgendwie zusammenhängen" (Luhmann, 1991:51). Andererseits untermauert mein Beispiele, läßt aber auch Zweifel aufkommen, daß die (äußere und innere) Zusammenfassung der menschlichen Gesellschaften zu einer Weltgesellschaft erst jetzt zustande zu kommen scheint.

Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in der Gesellschaft wird allerdings erst durch den reduktionistischen Drang zur Generalisierung in der Darstellung dieser sich gegen die Pauschalierung sperrenden sozialen Realität zum Problem. Ausgeglichenheit ist langweilig. Ausgeglichenheit signalisiert Gleichgültigkeit. Ist Ausgeglichenheit demnach vielleicht nicht sogar ein Zeichen für Unentschlossenheit oder mangelnde Courage? Jedes Reden und Hören über Globalisierung kann sich diesen Konflikten nicht entziehen. Die Schwierigkeit alternative Sichtweisen gleichzeitig präsent zu haben, ist ein schwieriges Unterfangen. 2

Ich will versuchen, sowohl auf Chancen als auch auf Risiken der Globalisierung aufmerksam zu machen, ohne resignierend oder euphorisch in globale Urteile zu verfallen. Dies heißt beispielsweise, daß die Globalisierung und die Entwicklung der Gesellschaften der Welt auch heute noch nicht Ergebnis eines einfachen, eindimensionalen Wandlungsprozesses sind. Obschon neuere Entwicklungen in der Kommunikations- und Transporttechnik dazu beitragen, daß die einstige Distanz zwischen Gruppen und Individuen aufbricht, bleibt die erhebliche Isolation zwischen Regionen, Städten und Dörfern erhalten. Die Welt öffnet sich zwar, Stile, Waren und Personen zirkulieren sehr viel intensiver, aber die Mauern zwischen den Überzeugungen über das, was heilig ist, bleiben bestehen. Die Bedeutung von Zeit und Ort verändert sich, aber Grenzen werden weiter mit Intensität gefeiert und geachtet. Fasziniert vom Zeitalter der Globalisierung leben wir mit der Obsession von Identität und Ethnizität. Und Hand in Hand mit der Territorialität von Sensibilitäten und der Regionalisierung von Konflikten geht wachsende Gleichzeitigkeit von Ereignissen auf unterschiedlichen Kontinenten.

Ich beginne mit dem Verweis auf das lehrreiche Schicksal von theoretischen Vorläufern und Verwandten der These von der Globalisierung aus der Nachkriegszeit. Danach mache ich selektiv auf eine Reihe von Facetten der Globalisierung aufmerksam, um dann in einem kurzen abschließenden Teil, noch einmal die Frage nach den Risiken und Chancen der Globalisierung aufzugreifen.

Massengesellschaften, Modernisierung und Rationalisierung

Oft ist der Weg interessanter als das Ziel. Viele Theorieentwürfe der letzten Jahrzehnte, die den einzigartigen Aspekten der Entwicklung zur modernen Gesellschaft zu Leibe zu rücken versuchen, sind sprachlich in der Vergangenheit formuliert. Das heißt, Veränderungen werden so beschrieben, als seien sie bereits abgeschlossen. Die Zeit der Massengesellschaft, die Modernisierung und die Rationalisierung der Gesellschaft werden in einer Terminologie erfaßt, die andeutet, daß es sich um einen selbständigen Prozeß handelt, dessen Logik sich schon weitgehend durchgesetzt hat und der sich damit schon vollständig in der Struktur der Gesellschaft widerspiegelt. Was in der Realität ein Prozeß mit Schritten sowohl in die eine als auch in die andere Richtung ist, wird unter der Hand schnell zu einem Endzustand der (Welt-) Gesellschaft. Auf die gleiche voreilige Kompression oder gar ein vorschnelles Abschließen trifft man heute in Reflexionen zur Globalisierung.

Während der vergangenen fünfzig Jahre hat es keinen Mangel an vielfältigen Auseinandersetzungen mit der Gefahr und den Kosten einer bereits existenten oder doch wohl unweigerlich heraufziehenden Massengesellschaft (z.B. Adorno und Horkheimer, [1947] 1987:140-196) gegeben. Die Massengesellschaft ist durch eine weitgehend homogene Bevölkerung gekennzeichnet, deren soziale Bindungen schwach ausgebildet sind. David Riesmans Metapher von der einsamen Masse bringt diesen Zustand wohl am besten auf den Punkt. Die Machtübernahme und brutale Herrschaft des Nationalsozialismus, des Faschismus und des Kommunismus bilden wichtige historische Bezugspunkte, ebenso wie Erfahrungen mit der Zerbrechlichkeit demokratischer Institutionen.

Die Entwicklung der Massengesellschaft wird durch die Allgegenwart und die umfassende gesellschaftliche Macht der Massenkommunikation und der Massenmedien bestimmt und beschleunigt. Zugleich verlagert sich die Analyse der Funktionen der modernen Gesellschaft unauffällig aber signifikant. Bedenken wegen Ausbeuterei, Einschüchterung, Gewalt und Zwang weichen Auseinandersetzungen mit den psychologischen Auswirkungen der Massenbeeinflussung, "rendering mass publics conformative to the social and economic status quo" (Lazarsfeld und Merton, [1948] 1957:458).3 Der nahezu magische Glaube an den übermächtigen Einfluß der Massenmedien auf die Populärkultur, der Verfall des guten Geschmacks und der Verlust der Kritikfähigkeit sind Argumente, 4 die bis zu einem gewissen Grad und in gewisser Abwandlung auch gegenwärtig wieder vorgebracht werden, diesmal gegen die massive Macht der Globalisierung gerichtet.5 Eine Reihe dieser Reflexionen über die moderne Gesellschaft als Massengesellschaft sind zweifellos bemerkenswerte Versuche, die kulturellen Besonderheiten des gegenwärtigen Zeitalters auszuleuchten. Andere Beobachtungen, die zu dem gleichen Schluß kamen, waren wohl eher oberflächliche kulturkritische Polemiken, die von sich behaupteten, die Zerstörung der "Kultur" erfaßt zu haben. In vielen Fällen waren diese Beobachtungen und Warnungen nicht zuletzt Ausdruck des Phänomens, das sie vorgaben, entdeckt zu haben (siehe König, [1956] 1965).

Die massenpsychologischen und sozialen Transmissionsriemen der möglichen globalen Verbreitung von Mentalitäten und Habitus vor denen gegenwärtig gewarnt wird sind weiter die der Massengesellschaft: Imitation, Suggestibilität, Nachahmungssucht und mangelnder psychischer Widerstand. Voraussetzung für das angeblich ungehinderte Funktionieren dieser psychologischen Prozesse im Bereich des Verbrauchs von Waren sind dann natürlich fast vollständig passive Konsumenten, die in einer Art sekundären sozialen Beziehung gefangen sind, die Authentizität vermissen läßt und kaum, wenn überhaupt, von Wahlmöglichkeiten gekennzeichnet ist. Das Konsumieren wird zu einer Art black box bzw. die Analyse von Konsumtionskulturen wird durch Ressentiments ersetzt (vgl. König, [1956] 1965:486-487; Douglas und Isherwood, 1979:3-11; Falk und Campbell, 1997; Miller, 1998). Die Evidenz zeigt aber, daß die Entwicklung in andere Richtung läuft, nämlich hin zu einer Moralisierung der Märkte, das heißt zu einer Mitbestimmung des Gebrauchswert von Waren oder Dienstleistungen an Hand moralischer oder ethische Gesichtspunkte.

Lokales und globales Handeln

 

For almost all of us, everyday life experience in communities and networks - no matter how influenced we are by global forces of communication, commerce, and the flow of people - centers on what is locally at stake.

Kleinman, 1999:70

 

Der Begriff der Globalisierung, so hat es den Anschein, nimmt in vielen theoretischen Reflexionen zur jüngsten Entwicklungsphase der modernen Gesellschaften genau den Stellenwert ein, den gesellschaftstheoretische Bemühungen in der Vergangenheit mit dem Begriff der Massengesellschaft, der Rationalisierung der Lebensverhältnisse der Menschen 6 oder später mit der vieldiskutierten Perspektive der Modernisierung und der Konvergenzthese verbanden (vgl. Inkeles, 1998) oder, negativ gewendet, mit der "Aufklärung als Massenbetrug" unter dem Kapitalismus (siehe Robinson, 1996:15). 7

Die Affinität erster Untersuchungen der und Warnungen vor den kulturellen Gefahren der Globalisierung zu den Diskussionen der modernen Gesellschaft als Massengesellschaft fällt besonders auf. In der Tat existiert in vielen Ländern der Welt zumindest unter Intellektuellen eine ausgeprägte Sensibilität über Formen des kulturellen Imperialismus, der die Gefahr in sich birgt, daß jede besondere regionale oder nationale kulturelle Ausprägung in der Welt angesichts des massiven Drucks primär der trivialen amerikanischen Kultur unterdrückt oder verdrängt wird.8 Allerdings unterschätzt diese Kritik in der Regel die Macht und Persistenz der Kultur oder die Tatsache, daß auch in einem globalen Zeitalter unterschiedliche Weltbilder, Konventionen und Prinzipien eine signifikante, das Verhalten und die Einstellungen der Menschen entscheidend beeinflussende Faktoren sind: Culture matters (Ellis, 1997; Harrison and Huntington, 2000). 9

Die Diskussionen um den Globalisierungsprozeß seit Anfang der achtziger Jahre läßt sich in Beobachtungen unterscheiden, die sich mit den (1) ökonomischen (einschließlich der politischen und technischen), den (2) kulturellen (insbesondere der Internationalisierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Informationen) und (3) den ökologischen Bedingungen und Folgen der Globalisierung befassen. Die sich zunehmend internationalisierende Ökonomie, insbesondere die internationale Vernetzung der Produktion und des Finanzsektors wird konventionell als Ursache und Motor der Globalisierung verstanden.

Zu den am häufigsten diskutierten Konsequenzen der Globalisierung dagegen gehören seine kulturellen und ökologischen Folgen. Die (positiven und negativen) Folgen der ökologischen und der wirtschaftlichen Globalisierung werden in der Regel weniger strittig diskutiert, sie sind zum Beispiel empirisch eindeutiger zu bestimmen als die möglichen Auswirkungen einer sozio-kulturellen Globalisierung. 10

Allerdings spricht man selbst in der Ökonomie nur selten davon, daß sich alle relevanten wirtschaftlichen Veränderungen - quasi auf einer engen Einbahnstrasse - nur in eine Richtung bewegen. Marktwirtschaftsformen entstehen zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten im Kontext ganz unterschiedlicher nationale Gesetze, Kulturen und Sozialstrukturen und politischer Gegebenheiten. Ob sich diese pluralen Formen der Marktwirtschaft einer einheitlichen, globalen Logik der kapitalistischen Produktion und Distribution unterwerfen werden, ist eine eher strittige These. Einige Beobachter der Entwicklung der modernen Ökonomien sind der Ansicht, daß dies der Fall sein wird (Strange, 1997:182), andere sind dagegen weit skeptischer und vertrauen darauf, daß eine robuste nachhaltige nationale und regionale Diversität bestehen bleiben wird (Crouch und Streeck, 1997). Dazu kommt noch, daß sich auch in der Gegenwart ökonomische Veränderungen sowie der Wettbewerb zwischen Gesellschaften nicht unbedingt von gesellschaftsspezifischen kulturellen und politischen Konfigurationen und Traditionen abkoppeln lassen. 11

Unregulierte Märkte sind nicht nur utopisch und wahrscheinlich selbstzerstörend, sondern es hat bisher noch kein politisches Regime gegeben hat, das die ihm zur Verfügung stehenden politischen Instrumente nicht genutzt hätte, um die in seinem Einflußbereich agierenden ökonomischen Akteure zu unterstützen und zu schützen sowie um Marktergebnisse zu korrigieren, indem es den Ertrag umverteilt und damit auf nachfolgende Marktgeschehnisse erheblichen Einfluß nimmt. Das Interesse und der politische Druck, selbstregulierende Märkte auszudehnen, wird immer durch verschiedene politische Bewegungen, die Umverteilungsinteressen und nicht-ökonomische Ziele vertreten, beeinflußt und beschränkt sein. Diese Ziele und Rücksichten werden in Verwaltungsrichtlinien und staatliche/übernationale Normen übersetzt, die auf den nationalen Markt, aber auch internationale Transaktionen einwirken. 12

Es gab in der Vergangenheit und es wird sicher auch in Zukunft unterschiedliche, aber gleichwohl erfolgreiche Wege zum wirtschaftlichen Wohlstand geben. Eine Gesellschaft kann sich zum Beispiel darauf konzentrieren, Innovationen zu fördern und zu realisieren, die vielfältigen Möglichenten einer Optimierung der mikroökonomischen Infrastruktur zu verbessern (Porter, 2000), eine andere Volkswirtschaft kann dies durch relevante gesamtgesellschaftliche, institutionelle Bedingungen ermöglichen, während ein weiterer Weg ein erfolgreicher Technologietransfer und eine schnelle Diffusion neuer technischer Entwicklungen ökonomisch sein mag (Warner, 2000).

In der Praxis ist das ökonomische Handeln auch heute weiter stark durch eine Vielzahl nationaler, nicht-wirtschaftlicher Faktoren (man vergleiche etwa das traditionelle Handelsbilanzdefizit der USA im Handel mit Japan) und multinationale Regierungsorganisationen (man vergleiche die Schwierigkeiten, ein neues GATT-Abkommen zu realisieren) bestimmt. Wir sind also noch sehr weit davon entfernt, sagen zu können, daß die Welt ein einziger Markt sei. Ich komme auf diesen Punkt zurück, wenn ich kurz die verpaßten Chancen der ökonomischen Globalisierung anspreche. 13

Die Debatten, die sich mit den kulturellen Folgen der Globalisierung befassen werden oft mit sehr viel größerer Bitternis geführt. In ihnen geht es um die Gefahr der Standardisierung der Lebenswelten und damit um die wachsende Auflösung der Vielfalt der Kulturen dieser Welt. Weiter ungebührlich beeindruckt von der Stärke und Plausibilität der Rationalisierungsthese, haben sich viele Beobachter auch im Kontext der Globalisierungsdebatte dazu verleiten lassen, etwas voreilig über die Fragilität und Vergänglichkeit von Traditionen, Glaubenssystemen und traditionellen Weltbildern zu schreiben, die sich unweigerlich auflösen oder einfach verschwinden werden angesichts rationalerer, modernerer Konzeptionen. Die Annahme, daß in diesen dann als rückständigen verstandenen Überzeugungen nur so etwas wie die "Kindheit der Menschheit" (Bell, 1990:45) zum Ausdruck kommt, daß diese Weltanschauungen von Natur aus fragil und schutzlos sind und ihre Aufgaben leicht von weniger "unkonventionellen", aber rationaleren Standpunkten übernommen werden können, wird durch die soziale und kulturelle Realität nicht bestätigt (vgl. Snow und Machalek, 1982) -- einschließlich der sich in dieser Hinsicht selbstexemplifizierende Vielfalt der Betrachtungen der Globalisierung.

Die Prämisse einer rapide wachsenden, unaufhaltsamen kulturellen, sozialen und ökonomischen Globalisierung, in deren Verlauf alle lokalen, regionalen und nationalen Besonderheiten von Lebenszusammenhängen hin zu einer homogenen Welt überwunden werden, enthält gravierende Denkfehler. Dazu gehört (1) die Unterstellung, daß unzählige soziokulturelle Kontexte schon fast identisch und intern kaum differenziert seien, (2) der Umstand, daß diese Sozial- und Kultursysteme nur als passive Rezipienten des "Exports" des dominanten Systems gedacht werden, (3) die These, daß es in diesen Situationen angesichts der überwältigenden Attraktivität, Überlegenheit und Leistungsfähigkeit der "siegreichen" sozialen Tatsachen keine Wahlmöglichkeiten gibt und (4) die Behauptung, daß lokale Kulturen im Angesicht der Übermacht der importierten Praktiken und Wertvorstellungen fast vollständig ausgelöscht oder inkorporiert und somit unsichtbar werden 14 und (5) das die Auswirkungen der Globalisierungsprozesse infolge der genannten Annahmen in allen Gesellschaffen mehr oder weniger uniforme Wirkungen zeitigen muß. 15

Die These von der ungebremsten, überwältigenden Herrschaft einer verselbständigten Logik gesellschaftlichen Wandels basiert genau wie die eines ungezügelten klimatischen oder technologischen Determinismus auf einer essentialistischen Sichtweise der Globalisierung, 16 die, losgelöst von allen situationsspezifischen Faktoren, ihre Logik durchsetzen kann. Welch ein Systemzwang. Anpassung und nicht Steuerung wäre an der Tagesordnung. Und unter solchen Bedingungen wäre die sich formierende zivilgesellschaftlich organisierte "global opposition", deren Argumente zunehmend, zumindest von einigen Politikern, ernst genommen werden, wäre ein sinnloses Unterfangen.

Die genannten Prämissen sind doch wohl eher der Wunschtraum der kolonisierenden Kräfte, die sich erhoffen, daß lokale Kulturen auf einfache Weise durch Importe ersetzt werden können. 17 Weder waren dominante Zivilisationen in der Vergangenheit in der Lage, in anderen gesellschaftlichen Kontexten ihre Herrschaft widerstandslos zu etablieren, noch werden im Zusammenhang mit gegenwärtigen Entwicklungen lokale kulturelle Zusammenhänge und Identitäten auf Grund globaler Trends einfach überlagert oder verschwinden sogar völlig. 18 Im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung wird in Wissensgesellschaften merklich geringer sein. 19 In sich entwickelnden Wissensgesellschaften wird der noch in den Industriegesellschaften bestimmende Einfluß materialistischer Faktoren bzw. des sogenannten Unterbaus für das Wirtschaftswachstum abnehmen. Es kommt zu einer Dominanzumkehr. Quelle wirtschaftlichen Wachstums wird Wissen sein. Motor der Globalisierung in den Wirtschaftssystemen der Welt ist deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit ein anderer Prozeß als der der noch zu Beginn und im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts dominierte. An die Stelle des Handels als Motor der ökonomischen Globalisierung treten Faktoren, die vorrangig auf einer Diffusion von Ideen und Wissen beruhen (Storper, 2000:387-388).

Auf jeden Fall haben die Grenzen der kulturellen Homogenisierung auf der Weltebene ebenso wie innerhalb klassischer Zivilisationen mit der Tatsache zu tun, daß, wie Ralf Dahrendorf (1980b:753) dies zum Beispiel ebenfalls betont, "jede Kultur ... die Symbole der Modernität in ihre eigene Tradition aufgenommen (hat); jeder Einzelne macht diese Symbole zum Teil seines und nur seines Lebens." Mit anderen Worten, es wäre falsch, lokale Sozialkontexte gegenüber externen Einflüssen als ausschließlich passive Situationen aufzufassen, wie dies die "radikal" affirmative These von der Globalisierung tun muß. Lokale Situationen leisten nicht nur Widerstand, sondern haben Ressourcen, um importierte kulturelle Praktiken aktiv zu "assimilieren".

Mit anderen Worten, Globalisierungsprozesse, insbesondere der sich verstärkende wirtschaftliche Wohlstand, die graduelle Ausweitung des kulturellen Kapitals und der wachsenden Zugangs zu Wissen und Informationen, sind für neue, umfassendere Handlungsmöglichkeiten vieler Akteure, nicht nur in den entwickelten Gesellschaften, verantwortlich. Ekholm-Friedman und Friedman (1995) liefern mit ihrer Studie des hawaiianischen Dorfes Miloli'i auf der Insel Hawaii beispielsweise reichlich Belege für die Interaktion zwischen globalen und lokalen Praktiken und im Fall dieser Studie nicht nur für eine Integration des Globalen in das Lokale, sondern für eine Absorbierung der Außenwelt durch den örtlichen Kontext. Resultat ist, daß die "Importe" zu lokalen Attributen und Prozessen werden.

Die Chancen der Globalisierung liegen in dem Nutzen dieser Handlungschancen der Akteure und Institutionen. Zu diesen bisher nicht realisierten Chance gehört die Implementation eines gerechten weltweiten Marktes in dem nicht mehr wie heute die Waren und Dienstleistungen der ärmsten Länder Welt weiter durch hohe Handelsschranken diskriminiert werden: "blatant hypocrisy and double standards that govern the behavior of rich countries toward poor countries," wie es die Weltbank (2002) in ihrem jüngsten Bericht über die Wirtschaftsaussichten der Entwicklungsländer nennt, müssen überwunden werden. Konkreter, Handel ist sehr viel bedeutsamer für die armen Länder als Entwicklungshilfe. 20 Wenn man den Export der ärmsten Länder auch nur um 0,7 Prozent erhöht, ist der wirtschaftliche Nutzen für diese Länder größer als der Gesamtumfang der Entwicklungshilfe, die sie erhalten. Zu diesen von der Globalisierung miteröffneten Handlungsmöglichkeiten sollten, um die wichtigsten Maßnahmen zu nennen, eine Versöhnung von ökologischen und ökonomischen Zielen gehören (siehe Stehr, 2002; 2001a), eine Stärkung der Demokratie weltweit, sowie die Entwicklung von transparenten, korruptionsfreien Regierungsformen (siehe Stewart, 2001) und die weltweite Diffusion von Rechtsinstitutionen (Soto, 2000), die Schaffung von parlamentarischen Arenen bzw. transnationalen Institutionen (Cladis, 2001) öffentlicher Debatten in der die internationale Zivilgesellschaft nach der Lösung von globalen Problemen sucht (und deren Implementation begleitet, siehe [Wolf, 2001]), eine Reform der internationalen ökonomischen Organisationen wie IMF, WTO und Weltbank (siehe Stieglitz, 2002:214-252), eine effektivere Regulierung der Finanzmärkte (einschließlich der Finanzgebaren der Konzerne), sowie von Multiplikatoren der besseren globalen Verteilung von und dem Zugang zu ökonomischen Ressourcen und kulturellen Kapital.

Ausblick

Die Welt ist ein ungemein stratifiziertes und vielfach in sich geteiltes soziales, kulturelles, ökonomisches und ökologisches Gefüge. Eine Tatsache, die anscheinend in überhasteten Versuchen, einen neuen Hauptmechanismus der gesellschaftlichen Transformation zu entdecken, sehr schnell vergessen wird. Die Weltbevölkerung wächst in einem bisher nicht gekannten Maß. Das Bevölkerungs-wachstum spielt sich fast ausschließlich in den ärmsten Ländern der Welt ab. In den meisten Gesellschaften dieser Welt ist der Nationalismus weiter ein äußerst einflußreicher kultureller und ökonomischer Prozeß. Die Mehrzahl der sogenannten globalen oder global operierenden Firmen wird beispielsweise völlig zutreffend mit einer bestimmten Heimatbasis in Verbindung gebracht; 21 multinationale Firmen lassen auch weiterhin den weitaus größten Teil ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit zu Hause durchführen (vgl. Stichweh 1999:32-36). Die Welt mag zwar durch das Internet und Satellitenfernsehen technisch sehr viel enger miteinander vernetzt sein, aber dies gilt nicht auf der kulturellen, gesellschaftlichen oder politischen Ebene. Wir sehen uns sehr viel schneller, häufiger und besser. Allerdings verstehen uns deshalb nicht besser und unsere Fähigkeiten voneinander zu lernen, hat sich auch nicht entscheidend verbessert. Im Gegenteil, die technische Integration und Vernetzung, die weltweite Migration und der Massentourismus produzieren und verhärten Mißgunst, Mißverständnisse und produzieren häufig sehr viel mehr Ärger als alles andere. Globale Kommunikationsmöglichkeiten und der Zugang zum Internet haben aus der Welt nicht unbedingt eine tolerante, sich gegenseitig schätzende und achtende Welt gemacht.

Die Risiken der Globalisierung liegen nicht zuletzt in einem entfremdenden Verständnis des Globalisierungsprozesses: d.h. Akteure und politische Institutionen begreifen sich primär als Objekte des Globalisierungsprozesses. Gleichzeitig gilt, daß Globalisierungsprozeß nicht durch eine wie auch immer geartete Willensentscheidung einfach rückgängig gemacht werden kann. Die Chancen der Globalisierung liegen demnach darin, die durch den Globalisierungsprozeß geförderten emergenten Handlungsmöglichkeiten der Akteure und Institutionen konstruktiv aufzugreifen und umzusetzen. Auch die Kritiker der Globalisierung müssen ein Interesse daran haben, daß noch nichts entschieden ist.

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1 Soweit ich sehen kann, ist es Karl Mannheim ([1922) 1964; [1928] 1964:518-522) der diese Metapher insbesondere in seinem Generationen Aufsatz im Anschluß und in Abgrenzung zum Gebrauch dieser Metapher durch den Kunsthistoriker Wilhelm Pinder (1926), auf genuin gesellschaftliche Phänomene anwendet. Relevant ist aber auch Ernst Blochs ([1918] 1923) Theorie der Ungleichzeitigkeit insbesondere in Bezug auf Kunstgebilde im Geist der Utopie. Die Beobachtung des Nebeneinanders ungleichartiger gesellschaftlicher Prozesse -- etwa auf der Ebene der Weltgesellschaft -- macht deutlich das ein (gleichzeitiges) Anwachsen globaler Interdependenz und Diskrepanzen keineswegs widersprüchlich sein muß; im Gegenteil, diese Prozesse selbst stehen in einer Interdepenzbeziehung (siehe auch Luhmann, 1988:170).

2 Und das Risiko, daß das Zusammenführen und Zusammenhalten unterschiedliches Sichtweisen immer wieder aufgetrennt wird, ist natürlich sehr groß (vergleiche zum Beispiel Pierre Bourdieus Essay "Uniting to Better Dominate" [2001]).

3 Die Leitgedanken des Konzeptes von der Massengesellschaft aufgreifend zeichnen Lazarsfeld und Merton ([1948] 1957:472) schließlich ein etwas anderes Bild der macht der Massenmedien. Ihre Untersuchung der Voraussetzungen, unter denen es den Massenmedien möglich wäre, ihre "maximale Propagandawirkung" zu erzielen ("when they operate in a situation of virtual 'psychological monopoly,' or when the objective is one of canalizing rather than modifying basic attitudes, or when they operate in conjunction with face-to-face-contacts"), läßt sie vorsichtig schließen, daß diese sozialen Vorbedingungen "are rarely satisfied conjointly in propaganda for social objectives."

4 David Riesman ([1950] 1961:290-292) hat zur gleichen Zeit in seiner Studie The Lonely Crowd einen von diesen Überlegungen stark abweichenden Ansatz entwickelt, in dem er zum Beispiel die Handlungskompetenz stärkende Rolle des zeitgenössischen Films betont.

5 Noch ist dieser theoretische Ansatz der Nachkriegszeit zur Massengesellschaft nicht vollständig abhanden gekommen. Und unter anderen Vorzeichen sind die Prämissen der Theorie der Massengesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in der Diskussion aufgetaucht. Leon Mayhews (1997:4) Entdeckung und Analyse der "neuen Öffentlichkeit" kann als ein jüngstes Beispiel einer Wiederbelebung der Theorie der Massengesellschaft verstanden werden. Mayhew betont, daß das Kommunikationsverhalten der neuen Öffentlichkeit von professionellen Medien-Spezialisten bestimmt wird: "The techniques employed by these specialists are historically rooted in commercial promotion, but beginning in the 1950s, rationalized techniques of persuasion born of advertising, market research, and public relations were systematically applied to political communication....The experts of the New Public have brought us the often impugned methods of civic persuasion that now dominate public communication." Die neue Öffentlichkeit ist häufig genauso hilflos und manipulierbar wie es die vorangehende Generation von Wählern, Konsumenten, Zuhörern der Nachkriegszeit gewesen ist.

6 Die universalistischen Bestrebungen in den politischen Bewegungen des Sozialismus und Liberalismus des vergangenen Jahrhunderts und die häufig optimistische und apologetische Nähe dieser Ideologien zu den Vorzügen des Rationalisierungsprozesses entsprechen den gleichermaßen universalistischen Ambitionen moderner Sozialbewegungen wie die Umwelt- und die Frauenbewegung und deren gelegentlich begieriges Aufgreifen der Vorstellung, daß sich der Globalisierungsprozeß nicht mehr aufhalten läßt.

7 Ich beziehe mich hier natürlich auf die pessimistische Diagnose der Massenkultur in Horkheimer und Adornos Dialektik der Aufklärung ([1944] 1987:145); dieser Befund hat eine gewisse Verwandtschaft zu ähnlich betrübten Beurteilungen der heutigen Medien: "Alle Massenkultur unterm Monopol ist identisch, und ihr Skelett, das von jenem fabrizierte begriffliche Gerippe, beginnt sich abzuzeichnen. An seiner Verdeckung sind die Lenker gar nicht mehr so interessiert, seine Gewalt verstärkt sich, je brutaler sie sich bekennt. Lichtspiele und Rundfunk brauchen sich nicht mehr als Kunst auszugeben. Die Wahrheit, daß sie nichts sind als Geschäft, verwenden sie als Ideologie, die den Schund legitimieren soll, den sie vorsätzlich herstellen. Sie nennen sich selbst Industrien, und die publizierten Einkommensziffern ihrer Generaldirektoren schlagen den Zweifel an der gesellschaftlichen Notwendigkeit der Fertigprodukte nieder."

8 Während Immanuel Wallerstein (2002) schon ein Ende der globalen Vorherrschaft der USA prophezeit, antizipiert der brasilianische Autor, Alfredo G.A. Valladao (1996) in seinem zutreffend betitelten Buch The Twenty-First Century will be American ganz in Sinn der Kritik Amerikas außerhalb der USA eine globale Kulturrevolution, denn "as the twenty-first century dawns, Americans are suddenly in the unprecedented position of being able to weave the history of all humanity into their own national history" (siehe auch Kuisel, 1993). Die kulturelle, "soft power" der USA ist gegenwärtig sicher größer als die ihrer materiellen, "hard power" (vgl. Judge, 2002). Hegemonie und Dominanz hat aber Widerstand zur Folge und in modernen Gesellschaften als Wissensgesellschaften ist der Widerstand auf kulturellen Gebiet nicht unbedingt uneffektiv (siehe Stehr, 2001).

9 Pippa Norris und Ronald Inglehart (2002) haben in einer vergleichenden empirischen Studie von islamischen und nicht-islamischen Gesellschaften die Bedeutung und Kontextualität von Wertvorstellungen untersucht. An Hand der Daten aus der World Values Study für 75 Nationen dokumentieren die Autoren die kulturellen Unterschiede zwischen diesen Gesellschaften; allerdings handelt es sich nicht um einfache dichtomische Gegensätze zwischem dem Islam und dem Westen. Sieht man von den Unterschieden in den religiösen Überzeugungen ab, die den Hintergrund des Vergleichs der Studie bilden, so ist bemerkenswert, dass die politischen Einstellungen der Öffentlichkeit mancher islamischer und nicht-islamischer Gesellschaften konvergieren; Unterschiede zwischen dem Westen und dem Islam insbesondere auf dem Gebiet sexueller Wertvorstellungen und der Einstellung zu den Geschlechtern sind dagegen besonders ausgeprägt (siehe Noris und Inglehart, 2002).

10 Im Kontext der These von dem globalen Verbund (oder der Integration) nationaler ökonomischer Systeme wiederum ist die Globalisierung der Finanzmärkte sowie, insbesondere nach dem Zusammenbruch der meisten planwirtschaftlichen Systeme, die wachsende Verbreitung marktwirtschaftlich orientierter Wirtschafts- und Finanzpolitik mit ihrer Liberalisierung der Handelsbeziehungen einschließlich der globalen Konvergenz technischer Regime oder Produkte (siehe Nelson und Wright, 1992; Petit und Soete, 1999) wohl am ehesten unstrittig. Hirst und Thompsons (1992, 1996) Analyse einer stetig voranschreitenden Internationalisierung bildet die Ausnahmekritik an der ansonsten unstrittigen Globalisierungsthese. Die Autoren treten den Globalisierungsargumenten mit dem Hinweis auf den ausdauernd starken nationalen Verbund multi-nationaler Betriebe und die Konzentration unterschiedlichster ökonomischer Austauschprozesse in nur einigen wenigen Orten, Regionen und Netzwerken von Nationen der Welt entgegen (siehe auch Hirst und Thompson, 1999). Bei einem vergleich der relativen Entwicklung von Handel, Migration und Kapitalfluß stellt sich außerdem die gegenwärtige globalisierte Welt als weniger stark integriert dar, als dies in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Fall gewesen ist (siehe Hirst und Thompson, 1996:26-27; Stehr, 1991:101-106). Ein solcher Skeptizismus konkurriert jedoch mit alarmierenden Behauptungen der skeptsicher Linker Beobachter der Globalisierung über sich abzeichnenden Weltkrieg der kapitalistischen Globalisierung (vgl. Robinson, 1996:13).

11 Obwohl es zutreffen mag, daß eine geringere (manifeste) Variabilität kultureller und sozialer Prozesse mit einer größeren Stabilität, Transparenz und Vorhersagbarkeit gesellschaftlicher Systeme einhergeht, sollte man die These, daß es sich dabei nicht nur um eine theoretische plausible Prämisse, sondern auch um eine empirisch zutreffende Beschreibung des Zustandes der heutigen Gesellschaft handelt, sehr viel skeptischer einschätzen. Es ist sehr wohl denkbar, daß Wissen, um es nur in diesem begrifflichen Rahmen zu fassen, die soziale Variabilität erhält bzw. sogar vermehrt. Darüber hinaus ist es nicht gerechtfertigt, den Beginn insbesondere der ökonomischen Globalisierungs-prozesse erst in die jüngste Zeit zu verlegen. Schon zwischen den Weltkriegen gab es eine sehr hohe wirtschaftliche Verknüpfung zwischen den entwickelten Volkswirtschaften der Welt. Selbst die intensive Verflechtung der Finanzmärkte ist nicht unbedingt ein Phänomen unserer Zeit: "Many of today's global markets are not a creation of our contemporaries but have existed in similar, if not identical forms long ago. The book in the 1980s in the syndicated lending market strongly resembles the nineteenth-century cycles of lending, overlending, default, rescheduling, and fresh lending. And the current discovery of 'emerging markets' by institutional investors is not fundamentally different from nineteenth-century portfolio investment in the United States, Latin America, Asia, and Eastern Europe on behalf of British small savers" (Cable, 1995:24). Mit anderen Worten, die spezifische Frage, die weiter einer Analyse harrt, lautet, ob Wissensgesellschaften nicht nur eine politisch höhere Kontingenz aufweisen als etwa Industriegesellschaften, sondern ob sich diese Kontingenz sehr viel genereller manifestiert. Das heißt, es ist denkbar, daß Kontingenz und Konzentration Attribute eines komplementären Entwicklungsprozesses, und zwar der weiter voranschreitenden Expansion sozialen Handelns sind. Dies gilt zum Beispiel für Widersprüche zwischen universalistischen Menschenrechtsansprüchen und partikularistischen, sich auf Sprache, Religion, Rasse oder ethnische Zugehörigkeit berufenden Forderungen (Benhabib, 1999).

12 Es trifft allerdings nicht zu, daß ein von staatlich bestimmten und überwachten Regeln relativ freies Marktgeschehen unbedingt, wie das Beispiel des gegenwärtigen Gesundheitsregimes in den USA zeigt, international konkurrenzfähiger sein muß (vgl. Block, 1987:179-184).

13 Das nationale Grenzen, Vorschriften, Handelshemmisse und Kulturen auch heute noch, selbst in der Europäischen Union, eine signikante Rolle bei dem Umfang und der Richtung von Handelstömen spielen läßt sich an folgenden Kennzahlen festmachen: "The Canadian province of Ontario is an equal distance from Washington state and the province of British Columbia. In a borderless world, one might expect Ontario's level of trade with Washington state and with British Columbia to be about the same, at least after adjusting for the size of the local economies. Yet this is not the case. The levels of trade have been measured between pairs of Canadian regions, pairs of U.S. regions and pairs of U.S.-Canadian regions, and it turns out that trade between regions of Canada, and between regions of the United States, is commonly 12 times higher than trade between equivalent regions across the U.S.-Canadian border. In Europe, similar studies have found that trade between regions within countries is three to ten times higher than trade that crosses national borders, even after adjusting for factors like size of local economies and geographic distance" (Taylor, 2002).

14 Die zuletzt noch von Karl Popper ([1981] 1992) gefeierte Hypothese von den progressiven und produktiven Folgen des Zusammenstosses der Kulturen als Anstoß zu kultureller Innovation und Fortschritt ist im Kontext solcher Überlegungen über die Konsequenzen der Globalisierung ganz und gar undenkbar und unsinnig. Man kann es nicht unterlassen, in dem vielstimmigen, kritischen Konzert über die homogenisierenden kulturellen Folgen der Globalisierung eine Stimme aus dem Sommer 2002 zu zitieren, die zutreffend über die typische Provinzilität der politischen Elite (die Beobachtiung bezieht sich zwar auf Deutschland, gilt aber in Anlaogie für viele andere Länder dieser Welt) spottet: "Vor allem aber darft man den Entscheidungsträgern alle möglichen Entscheidungen nicht überlassen, wie viel Ausland man in sein inneres Inland aufnimmt. Da wir der Begriff des Politischen gerne zum Gegensatz des Kosmopolitischen. Die Karrieren des letzten, des amtierenden und des nächsten Kanzlers jedenfalls haben sich alle im Umkreis von wenigen hundert Quadratkilometern zur Weltreife veredelt, und auch das Fernsehen arbeitet auf den wichtigsten Programmplätzen zügig an der Abschaffung des Auslands" (Roger Willemsen, "Do you speak Germish? Das Übersetzen und die Schönheit des Nichtverstehens," Süddeutsche Zeitung, 27. Juli 2002).

15 Der Ökonom Sala-i-Martin (2002) hat sich in einer jüngst veröffentlichten Studie erneut mit der Frage des möglichen Zusammenhangs der Entwicklung von Einkommensunterschieden in und zwischen Ländern und Globalisierungsprozessen befaßt. Er folgt in seiner Studie damit einer Frage, die eigentlich als gelöst gilt. In vielen Untersuchungen und Studien zur Entwicklung der sozialen Ungleichheit in modernen Gesellschaften wird in der Regel unterstellt, daß die Einkommensunterschiede sowohl in als auch zwischen einzelnen Ländern in den vergangenen Jahren zugenommen haben (z.B. United Nations, 1999). Sala-i-Martin kommt zu dem Schluß, daß Einkommensunterschiede, obwohl sie sich in einzelnen Ländern verringert haben, in den vergangenen Jahrzehnten in der Mehrzahl der Länder gestiegen ist. Und selbst wenn man für einen Vergleich der Einkommensgefälle zwischen Staaten die Kaufkraft (und nicht Währungsdaten) berücksichtigt, sind die Einkommensunterschiede im Vergleich der Staaten angestiegen. Sala-i-Martin dennoch zu dem Ergebnis, daß die globale Ungleichheit (und der Grad der Armut) sich zwischen 1980 und 1998 verringert hat. Seine Folgerung basiert auf einer Kombination der Meßwerte für nationaler und internationale Einkommensunterschiede, sowie verschiedener Indices wie etwa dem Gini Koeffizienten. Auf jeden Fall zeitg die Studie, daß Globalisierungsprozesse nicht nur ungleichtige, sondern auch ungleiche Folgen haben können.

16 Vgl. Hindess (1977:95); siehe auch die Kritik des technologischen Determinismus als essentialistische Perspektive in Grint und Woolgar, 1997 sowie die Aufsatzsammlung aus der Sicht der Philosophie der Technik von Feenberg und Hanney, 1995.

17 In einem ähnlichen Sinn unterstreicht Manuel Castells (1989:2), daß die modernen Informationstechnologien einen "fundamental impact on societies, and therefore on cities and regions" haben, aber dass ihr "effect varies according to the interaction with the economic, social, political, and cultural processes that shape the production and use of technological medium".

18 Terence Turner (1991) hat die Reaktion des Widerstehens und des Anpassens anhand einer Studie der Kayapos-Gemeinden in Brasilien festhalten können. Hierbei handelt es sich um das Reagieren sowohl auf den Anthropologen als teilnehmenden Beobachter als auch auf die Herausforderungen, die das Vordringen der brasilianischen Gesellschaft in die sozialen und kulturellen Bereiche dieser Gemeinden darstellte. Der Autor beschreibt zum Beispiel (1991:309-310), wie eine dieser Kayapo-Gemeinden brasilianische Technologie in Form von Videos dazu verwendet, ihre Kultur zu schützen und zu erhalten. Dabei wurden die Kayapos zu perfekten politischen Vertretern ethnischer Interessen, wie Turner (1991:311) voll Zuversicht bemerkt, "fully engaged, defiantly confrontational, coolly calculating how far they could go without giving a plausible pretext for violent repression by the army or police, and extremely self-conscious of the cultural dimensions and meanings of their struggle for themselves."

19 Eine vergleichbare Beobachtung, ohne dass sie jedoch näher begründet wird, findet sich in Niklas Luhmanns (1988:170) Diskussion der Besonderheiten der modernen Ökonomie: "Die Zunahme regionaler Differenzen bei gleichzeitiger Zunahme weltweiter Interdependenzen ist der vielleicht auffälligste Tatbestand (der auf Wachstum angelegten modernen Gesellschaft). Die Weltgesellschaft wird mehr und mehr ein einheitliches System - und zugleich ein System, das immense Diskrepanzen erzeugt und zu ertragen hat." Und das schließt, so folgert Luhmann schließlich, "eine politische Vereinheitlichung aus, ohne dafür eine Alternative, ein funktionales Äquivalent zu bieten."

20 Eine der nicht unbedingt intendierten aber in der ökonomischen Theorie und Praxis durchaus erkannten Folgen des Warenhandels und der globalen Präsenz von Dienstleistungsunternehmen (wie etwa McDonald) ist die Diffusion von Wissen und Informationen, aber auch von hohen Hygienestandards (siehe Park, 1995 und Douglas Irwins [2002] Plädoyer - trotz anerkannter Schwächen - für den Freihandel).

21 Aus einem im The Economist veröffentlichten Artikel (February 6-12, 1993, S.69) geht hervor, dass 1991 nur "2% of the board members of big American companies were foreigners. In Japanese companies, foreign directors are as rare as British sumo wrestlers."